Interview mit Felix Magath

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Jodit

Interview mit Felix Magath

Beitrag von Jodit »

Wusste nicht ob ich das ins Sport- oder Doppelpassforum stellen sollte.

Wie ich finde: Sehr interessante Ansichten von Herrn Magath.
kicker.de hat geschrieben:Bundesliga
Interview der Woche: Felix Magath - 21.05.2004 11:25
"Wir steuern auf ein Desaster zu"

Skeptiker: Felix Magath sieht die Zukunft des deutschen Fußballs wenig rosig.
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Am Montag hatte es der kicker bereits als perfekt gemeldet, mittlerweile haben es alle Beteiligten bestätigt: Felix Magath wechselt zum FC Bayern. Hier nutzt Stuttgarts Trainer die Aufmerksamkeit um seine Person zu einer kritischen Bestandsaufnahme drängender Probleme im deutschen Fußball.
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kicker: Sind Sie froh, dass die ewigen Spekulationen um Ihren Wechsel zum FC Bayern endlich vorbei sind, Herr Magath?

Felix Magath: Im deutschen Fußball gibt es viel größere Probleme zu lösen als die Frage, welche Mannschaft ich künftig trainiere.

kicker: Was meinen Sie konkret?

Magath: Wir steuern seit Jahren in die verkehrte Richtung. Denn der Kern des Fußballs, der Sport an sich, ist zu lange vernachlässigt worden und muss wieder mehr Gewicht und Bedeutung bekommen.

kicker: Wie meinen Sie das?

Magath: Es hat sich alles weiterentwickelt, nur der Fußball nicht. Medienarbeit, Marketing, Wettbewerbe - alles wurde professioneller und intensiver. Vor allem auf Kosten des Sports. Nur eben dieses Wesentliche hat man vergessen.

kicker: Ihre Mannschaft spielt doch guten Fußball, woran machen Sie den Abwärtstrend fest?

Magath: Es geht dabei nicht um Stuttgart, schon gar nicht um mich. Ich selbst habe mit der Situation kein Problem, denn ich werde das Desaster nicht mehr erleben, auf das wir zusteuern. Weil meine Zeit als Profitrainer natürlich begrenzt ist. Es geht mir um den Fußball und seine Zukunft in Deutschland.

kicker: Und die ist düster?

Magath: Ein Beispiel: Die besten 50, 60 Franzosen spielen im Ausland. In Topligen, bei Topklubs. Trotzdem schneiden französische Vereine in den internationalen Wettbewerben besser ab als die Bundesligisten. Welcher deutsche Spieler außer Lehmann bei Arsenal oder Hamann in Liverpool spielt im Ausland auf höchstem Niveau eine Rolle? Und jetzt stellen Sie sich mal vor, die aktuell besten 30, 40 deutschen Spieler wären außer Landes. Wer, bitte schön, spielt denn dann noch in der Bundesliga?

kicker: Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Magath: Das ist ein sehr komplexes Thema. Das fängt damit an, dass sich die Spieler heute oft nicht mehr aufs Training freuen, sondern es manchmal als Last empfinden. Da stimmt etwas nicht mehr.

kicker: Woran liegt das?

Magath: Es gibt viele kleine Mosaiksteine, die aber alle dazu führen, dass das Training leidet.

kicker: Zum Beispiel?

Magath: Zum Beispiel die vielen Sponsoren- und Medientermine. Diese Feststellung richtet sich nicht gegen die Medien oder Sponsoren, die Situation stellt sich einfach so dar. Die heutigen Spieler sind daran auch von Anfang an gewöhnt, mit den Medien zu leben. Sie können nicht rechtzeitig Nein sagen und kommen nicht zur Ruhe. Medien, Werbung in eigener Sache, Vermarktung des Vereins - das kostet alles Zeit, Energie und Konzentration. Das fehlt den Spielern für die notwendige Erholung zwischen den Belastungen. Und das zeigt sich dann wiederum auf dem Trainingsplatz.

kicker: Sind sie weniger belastbar?

Magath: Die Spieler selbst merken bei Autogrammstunden nicht, dass sie müde sind. Die glauben, sie hätten viel trainiert, dabei haben wir kaum was gemacht. Puh, das war aber wieder viel heute, heißt es dann. So wird das Training als Belastung empfunden statt als Spaß.

kicker: Haben Sie zu Ihrer aktiven Zeit intensiver und mehr trainiert?

Magath: Natürlich. Heute trainieren wir weniger als früher. Aber ich kenne keinen Sport, in dem man nicht mehr trainieren muss, wenn man besser werden will. Nur im Fußball heißt es: Weniger ist manchmal mehr. Mehr bedeutet ja nicht härter. Das kommt auf die Inhalte an. Aber jede Minute weniger Ballarbeit bedeutet letztlich Qualitätsverlust. Wir haben mittlerweile in vielen Bereichen Defizite.

kicker: Wie wär's mit zusätzlichen Trainingseinheiten?

Magath: So einfach ist das nicht. Bei all den Terminen. Und bei der aktuellen Position des Trainers allgemein. Wenn ich zusätzliche Einheiten anordne, geht doch automatisch eine öffentliche Diskussion los, die schnell gegen den Trainer laufen kann. Aber der Reihe nach: Nehmen wir die Nationalspieler. Was die Verbände mit Länderspielen und Turnieren abverlangen, ist für mich unbegreiflich. Da wäre eine andere Terminplanung nötig.

kicker: Konkret?

Magath: Ein Länderspiel wie in Rumänien. Da frage ich mich: Ist das zu dieser entscheidenden Saisonphase tatsächlich nötig? Da haben die Spieler Titel, Abstiegskampf und das nächste Ligaspiel im Kopf. Und ihnen fehlen erneut wichtige Trainingseinheiten mit der Mannschaft. Die Nationalspieler sind rund zehn Mal im Jahr drei, vier Tage weg vom Klub. Am Tag nach dem Spiel ist auch nicht viel möglich. Das heißt: Im Grunde fehlen sie dem Verein fast zehn Wochen. Und den Spielern fehlt diese Zeit für konzentrierte, ungestörte Trainingsarbeit. Wie sollen sich da junge Spieler wie Kuranyi, Hinkel oder Lahm weiterentwickeln?

kicker: Aber zu Ihrer Zeit hatte die Nationalelf nicht weniger Termine.

Magath: Damals hätten diese Spieler sich erst mal zwei Jahre in der Liga behaupten müssen, ehe sie in den Dunstkreis der Nationalelf gekommen wären. Das bedeutete: zwei Jahre mehr Ausbildung und Entwicklung. Heute trifft der Podolski fünf Mal das Tor, und schon fordert alle Welt von Völler, ihn zu nominieren. Und diesen Spielern wird suggeriert, sie seien schon perfekt. Es ist heute viel schwerer, sich als junger Spieler zielgerichtet zu entwickeln. Wieso muss die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft der A-Junioren so spät ausgetragen werden? Jedes Jahr haben so die besten Talente keine Pause und können keine vernünftige Vorbereitung bestreiten. Ihre erste mit den Senioren. Die verlieren gleich ein halbes Jahr, manche ein ganzes. Muss das sein? Der Terminkalender macht heute eine punktgenaue Trainingssteuerung unmöglich. Auch durch die EM.

kicker: Wieso?

Magath: Nehmen wir an, Deutschland und die Schweiz kommen ins Finale. Das kann sich derzeit kaum jemand vorstellen, aber es ist möglich. Dann kommen sechs VfB- Spieler zurück zum Verein, wenn das erste Trainingslager beendet ist und die Vorbereitung schon drei Wochen läuft. Wie sollen die sich auf die neue Saison vorbereiten?

kicker: Aber WM- und EM-Termine gab's so schon immer.

Magath: Das ist ja auch richtig und wichtig. Aber das geht ja weiter. Nehmen wir an, der Verein kriegt das wieder hin, und alle sind im Laufe der Vorrunde irgendwann auf einem Stand. Dann kommt im Dezember die Asienreise der Nationalelf, und das Problem zieht sich wieder in die Rückrunde. Und im nächsten Sommer steht der Confederationscup an . . . Aber es gibt noch ganz andere Probleme für die Trainer hier zu Lande.

kicker: Welche?

Magath: Der Respekt gegenüber den Personen und ihrer Arbeit geht verloren. Das ist im Ausland anders. Da wird respektiert, dass jemand seine Arbeit in Ruhe machen will. In England oder Italien sind die Medien beim Training gar nicht zugelassen. In Frankreich hat der Fußball auch nicht den Stellenwert in der Gesellschaft wie bei uns, die Franzosen leben lieber, als sich um kriselnde Trainer zu kümmern.

kicker: Es sind sicherlich nicht allein die Medien, die Trainer unter Druck setzen.

Magath: Stimmt, es hängt immer von den handelnden Personen im Verein ab. Auch Volker Finke in Freiburg macht sicherlich Fehler. Aber da hat man aufgehört, permanent nachzubohren, weil man weiß, da ist ein Präsident, der sich zurückhält und ohne Wenn und Aber hinter der Arbeit des Trainers steht. Da kann der Fußballlehrer natürlich gegenüber der Mannschaft ganz anders auftreten und argumentieren. Insgesamt aber ist der Trend ein anderer.

kicker: Nämlich?

Magath: Dass der Trainer tatsächlich das schwächste Glied in der Kette ist. Ich weiß, wovon ich rede, ich bin ja lange Zeit von Verein zu Verein gereicht worden. Läuft es mal nicht so, holt man eben den nächsten Trainer. Man ist austauschbar. Genau damit schwächt man die Position gegenüber dem Spieler. Aber wie soll das schwächste Glied andere stärken?

kicker: Was also ist zu tun?

Magath: Wir müssen insgesamt schleunigst umdenken und manche Bereiche wieder auf ein gesundes Maß zurückfahren. Denn durch all die erwähnten Probleme zieht sich wie ein roter Faden: Es geht immer gegen den Trainer. Oder gegen dessen Arbeit. Und damit läuft es gegen die sportliche Qualität. Solange das so ist, wird Deutschland massive Probleme bekommen. Aber das ist gilt ja nicht nur für den Fußball. Da ist er nur Spiegelbild unserer Gesellschaft. Überall werden Probleme offenkundig, aber an deren Wurzeln traut sich keiner ran.

Interview: Michael Pfeifer
Shadow1977
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Beitrag von Shadow1977 »

Jo!
Felix rettet die deutsche Fussball-Welt :super: .
Kein dummes interview.
Hat in nahezu allen Punkten Recht.
Traurig aber wahr :( .
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Eintrachtler
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Beitrag von Eintrachtler »

Ist aber ein gutes Interview, hätte dem irgendwie so tiefgehendere Aussagen nicht zugetraut. Aber gut das er das Interview jetzt gemacht hat, denn nächstes Jahr bei den Bayern hat er bestimmt nicht mehr so viel zu sagen :D
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Eise
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Beitrag von Eise »

Bemerkenswertes Interview, der Felix hat was in der Birne. Er hat wirklich in allen Punkten recht.
Hoffe er trainiert in der neuen Saison auch so intelligent :D
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knopfler
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Beitrag von knopfler »

... mehr männer & typen in die BL und keine "sich beim freistoß in der mauer stehend den sack haltende" luschis !!! gladiatoren in die BL - wenn man sie sieht, dann riecht man den schweiß!

"Auch Volker Finke in Freiburg macht sicherlich Fehler. Aber da hat man aufgehört, permanent nachzubohren, weil man weiß, da ist ein Präsident, der sich zurückhält und ohne Wenn und Aber hinter der Arbeit des Trainers steht."

... das war eine spitze gegen den unheiligen franz von und zu beckenbauer I.

sehr mutig herr magath, weiter so!
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Beitrag von Eise »

Seine Senilität Franz I., sollte sich ganz auf die WM konzentrieren und noch 2-3 Söhne zeugen. Aber bitte NIX mehr zum FC Bayern von sich geben.
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Beitrag von knopfler »

"Seine Senilität Franz I., sollte sich ganz auf die WM konzentrieren und noch 2-3 Söhne zeugen. Aber bitte NIX mehr zum FC Bayern von sich geben."

so ist es. der zerstört mittlerweile mehr als er hilft. ein mann von SEINEM KALIBER sollte doch wissen wann der zenit überschritten ist.
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Beitrag von Shadow1977 »

knopfler hat geschrieben:... mehr männer & typen in die BL und keine "sich beim freistoß in der mauer stehend den sack haltende" luschis !!! gladiatoren in die BL - wenn man sie sieht, dann riecht man den schweiß!
Jo!
Was erwartest Du, das jeder seine Eier rausstreckt... :twisted: ?
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Wiegel
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Beitrag von Wiegel »

Eintrachtler hat geschrieben:Ist aber ein gutes Interview, hätte dem irgendwie so tiefgehendere Aussagen nicht zugetraut.
Genau so hab ich auch gedacht und deshalb will ich meine Aussage aus dem anderen Thread (mit Bayern) ERST einmal revidieren, nämlich dass Magath in München bei den Medien keine Chance hat - wenn er sowas auch im Fernsehen gut rüberzubringen weiß, könnt das wirklich noch was werden, ich guck erstmal bis zur Winterpause, danach sag ich mehr.
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– Jim Morrison

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