Liebe ist nicht genug
VON FRANK NÄGELE, 18.04.07, 20:42h
Der Verein verliert seine größten Talente nur deshalb, weil er ihnen keine sportliche Perspektive bieten kann.
Köln - Um die Mittagszeit erreichte den 1. FC Köln am Mittwoch das erwartete Fax aus Frankfurt. Der Inhalt überraschte keinen mehr. Lukas Sinkiewicz wird wegen einer Tätlichkeit im Spiel gegen den Freiburger Profi Sheyi Olajengbesi für drei Spiele gesperrt. Das bedeutet: Der 21-jährige Nationalspieler spielt noch genau zweimal für den Verein, dem er seit seinem zehnten Lebensjahr angehört. Danach wird er wechseln. In die Erste Bundesliga.
Auf diese Weise hat der FC im Sommer 2006 bereits Lukas Podolski an Bayern München verloren, auf diese Weise wird er spätestens 2008 auch Patrick Helmes verlieren - drei junge Fußballer, die den 1. FC Köln so schnell nicht verlassen hätten, wenn es der Verein nur geschafft hätte, ihnen eine Perspektive in der Fußball-Bundesliga zu bieten. „Der FC ist mein Verein und wird es immer bleiben“, sagte Lukas Podolski, als er vor elf Monaten unter der Anteilnahme der FC-Fans Abschied nahm. Seitdem spielt er für den Rekordmeister, aber seine Köln-Sehnsucht ist an der Isar sprichwörtlich geworden. Lukas Sinkiewicz wird das anders machen. „Ich vergesse nie, wo ich herkomme, ich vergesse nie, dass der FC mein Verein ist“, sagt Podolskis Weggefährte. Aber er bleibt, wenn nicht alles täuscht, hier in Köln wohnen und nimmt sich auch aus Gründen der Verbundenheit zum Rheinland den nächstbesten Bundesligisten als Arbeitgeber. Bayer 04 Leverkusen.
Michael Meier beobachtet den Exodus des hochbegabten Nachwuchses traurig. „Es ist schon schlimm, wenn man nicht einmal die eigenen jungen Spieler halten kann“, sagt der Manager des 1. FC Köln. Im Fall Sinkiewicz trifft ihn keine Schuld. Als der von den Bundestrainern Jürgen Klinsmann und Joachim Löw hochgeschätzte Abwehrspieler im Januar 2006 einen neuen Vertrag unterschrieb, war der FC schon auf dem Weg in die Zweite Liga. Ein Jahr Unterhaus hat Sinkiewicz der Liebe zum FC zugestanden. Ein zweites wollte er sich und seiner Karriere aber nicht antun, deshalb der Vertragszusatz, dass er den Verein für zwei Millionen Euro verlassen kann, wenn Köln im Sommer 2007 zweitklassig ist. „Wir hätten ihn ohne diese Klausel 2006 niemals halten können“, sagt Meier. Und das ist die Wahrheit.
Anders liegt der Fall bei Patrick Helmes, der schon als Jugendlicher beim FC spielte und 2005 mit der Absicht zurückkam, für lange Zeit hierzubleiben. Zu Beginn der laufenden Saison, sagte Helmes dieser Zeitung im Februar, hätte er jeden angemessenen Vertrag ohne Zusatz unterschrieben, „aber sie wollten mich für ganz kleines Geld behalten“. Als dann Bayer Leverkusen auf den Plan trat und zwei umstrittene Wechsel-Vereinbarungen mit dem Stürmer schloss, wurde der FC wach, zog die Option bis 2008 und machte Helmes ein hervorragendes Angebot für einen langfristigen Vertrag. Die Rede ist von 1,5 Millionen Euro Jahresgehalt. Allerdings hat Helmes nicht unterschrieben, und er wird es wohl auch nicht tun. „Es ist ja nicht gesagt, dass Köln nächstes Jahr automatisch aufsteigt“, erklärte der Torjäger. Es zeichnet sich ab, dass er seinen Vertrag beim FC bis 2008 erfüllt und danach ablösefrei zu Bayer 04 geht.
Solche Vorgänge sind furchtbar für einen Verein, der sein größtes Kapital verliert und weder gleichwertigen sportlichen Ersatz in Aussicht hat noch neue Identifikationsfiguren. Im Fall von Lukas Sinkiewicz, der nach monatelanger Verletzung als Kapitän vorbildlich für die letzte Aufstiegschance und damit seine eigene Zukunft in Köln gekämpft hat, reagierten die Fans beim Heimspiel gegen Freiburg regelrecht einfühlsam. Mit einer Mischung aus Wehmut und schweigender Trauer. In einem Plakat drückten sie sogar echte Zuneigung aus.
Der 1. FC Köln verliert, was einmal seine Zukunft war.
Quelle:
www.ksta.de