Interview mit unserem Uli

Hier geht es um den Sport: Fußball, Tennis, Formel 1, Fullcontact Mikado...

Moderatoren: Tim, ACZ-Mod-Team

Antworten
Benutzeravatar
Lunkens
Chefbiertrinker
Chefbiertrinker
Beiträge: 15377
Registriert: 13.07.2001, 02:00
Wohnort: Bierkasten
Kontaktdaten:

Interview mit unserem Uli

Beitrag von Lunkens »

FUSSBALL
"Es geht ans Eingemachte"

Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß über die Rezession im Weltfußball, Jürgen Klinsmanns Reformen, seinen geplanten Rückzug und seine emotionalen Ausbrüche.

SPIEGEL: Herr Hoeneß, in regelmäßigen Abständen haben Sie immer wieder den wirtschaftlichen Zusammenbruch Ihrer gesamten internationalen Konkurrenz prophezeit ...

Hoeneß: ... da habe ich wohl nicht immer recht behalten in den vergangenen Jahren.

SPIEGEL: Aber jetzt, im letzten Jahr Ihrer Managertätigkeit bei Bayern München, kommt die Wirklichkeit Ihrer Dauerprognose offenbar so nahe wie nie. Wird der FC Bayern der Krisengewinner sein?

Hoeneß: Auch früher gab es ja schon Clubs, die wegen ihrer Schuldenberge irgendwann nicht mehr mithalten konnten. Denken Sie an den FC Valencia, vor siebeneinhalb Jahren noch unser Finalgegner in der Champions League, oder an Lazio Rom, die spielen international keine Rolle mehr. Aber in dieser Krise jetzt geht es wirklich ans Eingemachte. Ich bin gespannt, was mit dem FC Chelsea passiert. Dass der Herr Abramowitsch, der einen großen Teil seines Vermögens verlor, in diesen Zeiten keine Lust mehr hat, jedes Jahr über 100 Millionen Euro in den Fußball zu stecken, kann ich mir gut vorstellen.

SPIEGEL: Die englische Premier League rechnet aber immer noch mit steigenden Fernsehgeldern, die neue Investoren locken könnten. Und speziell Chelsea hat zwar rund 800 Millionen Euro Schulden bei Abramowitsch, besitzt aber wertvolle Grundstücke in London.

Hoeneß: Das hatten wir ja schon mal mit Real Madrid. Die haben sich mit dem Verkauf ihres Trainingsgeländes saniert, aber nun sind die 500 Millionen, die sie bekommen haben, auch wieder weg. Und was verkaufen sie jetzt? Am Ende muss cash gezahlt werden, und hier haben wir es nicht einfach mit einer Konjunkturdelle zu tun. Vielleicht bekommen wir eine Wirtschaftskrise wie in den dreißiger Jahren. In Europa haben das die Politiker viel zu spät erkannt. Im November habe ich einen Vortrag beim Arbeitgeberverband gehalten und gesagt: Wir stehen vor der größten Problematik seit dem Zweiten Weltkrieg. Die haben mich alle angeschaut, als ob ich bescheuert wäre.

SPIEGEL: Bei Scheich Mansur Bin Sajid aus Abu Dhabi, dem neuen Besitzer von Manchester City, ist die Krise offenbar nicht angekommen. Er kaufte mal eben für 18 Millionen Euro den Hamburger Nigel de Jong, für Mailands Brasilianer Kaká bot er 120 Millionen und ein Jahresgehalt von 15 Millionen Euro netto.

Hoeneß: Wir haben uns erkundigt. Der Mann hat wirklich Geld und ist seriös. Ich bin sicher: In sechs Monaten wird sich die Fußballwelt, was die Besitzverhältnisse bei manchen Clubs anbelangt, ziemlich verändert haben.

SPIEGEL: Und beim FC Bayern ist das legendäre Festgeldkonto prall genug gefüllt, um die schweren Zeiten zu meistern?

Hoeneß: Bevor wir vor eineinhalb Jahren viel Geld in neue Spieler investiert haben, hatten wir da mal 150 Millionen Euro drauf. Aber nun bekommt man beim Festgeld nur noch zwei, drei Prozent Zinsen, und auf der anderen Seite haben wir ja das Münchner Stadion übernommen. Für die Allianz-Arena müssen wir sieben, acht Prozent Zinsen zahlen. Da wäre es dumm, hätten wir nicht etwas vom Festgeldkonto in den Schuldendienst gesteckt.

SPIEGEL: Ist der deutsche Fußball dennoch für die Krise gerüstet?

Hoeneß: Im Verhältnis zu anderen Ligen ist die Bundesliga gut finanziert. Wir wissen aber nicht, wie sich die Zuschauer verhalten, wenn wir ein großes Arbeitslosenproblem bekommen sollten. Werden die Leute wie zuvor sagen: Das Vergnügen Fußball lasse ich mir nicht nehmen? Und was macht ein Sponsor, der in einer Zeit, in der er Tausende Leute entlassen muss, zu entscheiden hat, ob er einen Vertrag mit einem Bundesligaclub verlängert? Das kann niemand sagen.

SPIEGEL: In der Bundesliga dürfen die Clubs gemäß Reglement nur weniger als die Hälfte der Stimmrechte nach außen geben. Sollte sie sich Investoren mehr öffnen?

Hoeneß: Ich hätte nichts dagegen, diese Regel aufzuweichen. Bei Bayern bräuchten wir dazu eine Satzungsänderung und dafür 75 Prozent der Mitgliederstimmen. Die würden wir aber nicht bekommen, und ich verstehe das auch. Investoren kommen und gehen, die haben kein Herzblut. In meinem Büro hängt das Foto von unserem Champions-League-Finale 2001 in Mailand, wo unsere Fans dieses riesige Banner hochhielten: "Heute ist ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben". Da hätte ich weinen können, als ich im Stadion war. Fans lieben ihren Verein, sie sagen: Wenn irgendein Russe kommt, ist das nicht mehr mein Club. Vieles von dem, das sie sich auf ihre Fahnen schreiben, entspricht meiner Sicht auf den Fußball.

SPIEGEL: Das sagen Sie als Pionier der Vermarktung, der Kommerzialisierung?

Hoeneß: Was soll ich machen? Wenn ich zuletzt Manager bei Chelsea gewesen wäre mit dem Geldgeber Abramowitsch, da hätte Chelsea in den letzten Jahren alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Wenn ich den nur anzapfen und mich nur darum kümmern muss, dieses Geld unter die Leute zu bringen, ist es einfach. Wir hier in München machen 290 Millionen Euro Umsatz, ich sage unseren Mitarbeitern immer: Wir müssen, bei 220 Arbeitstagen im Jahr, jeden Arbeitstag mehr als eine Million Euro reinholen. Das ist unsere Hauptaufgabe.

SPIEGEL: Und in diesen unruhigen Zeiten wollen Sie nun Ihren Posten räumen?

Hoeneß: So ist es mit dem Aufsichtsrat besprochen. Mein Vertrag läuft Ende des Jahres aus, ich folge Franz Beckenbauer im November als Präsident des eingetragenen Vereins nach, und bei uns ist es so, dass der Präsident gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der AG ist. Die Leute machen derzeit nur den Fehler zu denken, ich sei dann weg.

SPIEGEL: Sie werden täglich Ihren Nachfolger mit Ratschlägen nerven?

Hoeneß: Ich werde mich nicht ins Tagesgeschäft einmischen. Aber es gibt Dinge, die bei uns brachliegen. Zum Beispiel haben wir im Moment keine Zeit für Lobbyarbeit in der Politik, für die Kontaktpflege mit großen Firmen und Verbänden.

SPIEGEL: Was haben Sie persönlich während der Hinrunde dieser Saison tun können, um das System Klinsmann in die Spur zu bringen?

Hoeneß: Ich war derjenige, der die Ruhe bewahrt hat. Ich habe mich nicht von der allgemeinen Kritik an unserem Trainer und seinen Neuerungen anstecken lassen. Umgekehrt habe ich dem Jürgen auch gesagt, dass Rom nicht an einem Tag erbaut wurde. Seine große Stärke ist die Kommunikation. Mit seinem Vorgänger Ottmar Hitzfeld saß ich zwar immer am Vorabend des Spiels zusammen, in der Woche aber fast nie. Jürgen bittet mich oft rüber auf einen Espresso. Als Bundestrainer kam er vielleicht eher stur rüber, ich ahnte gar nicht, dass er sich andere Meinungen anhört und sich von guten Argumenten überzeugen lässt.

SPIEGEL: Dennoch heißt es, Sie persönlich hätten ihn gestützt, als er im WM-Jahr nach dem 1:4 gegen Italien in Florenz als Bundestrainer auf der Kippe stand.

Hoeneß: Nach diesem Spiel gegen den Strom zu schwimmen, darin lag der Reiz.

SPIEGEL: Und nun gefällt Ihnen, dass er sich als Bayern-Trainer etwas sagen lässt?

Hoeneß: Da waren beispielsweise die Trainingslager vor den Heimspielen.

SPIEGEL: Die hat er abgeschafft und wieder eingeführt.

Hoeneß: Er war total überrascht, dass die Spieler nicht lieber zu Hause blieben. Er selbst war als Spieler anders, mehr so ein Einzelgänger. Er hatte damals noch keine Kinder. Aber bei einem Familienvater klettern schon mal die Kinder nachts ins Bett. Dann kann er sich aber nicht so professionell aufs nächste Spiel vorbereiten.

"Jürgen Klinsmann zeigt keine Angst vor Fehlern"

SPIEGEL: Hatten Sie anfangs nicht Angst, dass der Reformer Klinsmann den Verein entwurzeln könnte?

Hoeneß: Ich weiß noch, wie es war, als wir im Vorstandsbüro von Karl-Heinz Rummenigge zusammensaßen, über Ottmar Hitzfelds Nachfolge berieten und Karl-Heinz fragte: Könnt ihr euch vorstellen, dass wir uns mit dem Jürgen beschäftigen? Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet. Dann dachte ich: Wenn er wirklich bereit ist, warum nicht. Noch an dem Nachmittag haben wir ihn in Kalifornien angerufen, das ging ja, weil er immer um sechs aufsteht. Erst war eine lange Pause am anderen Ende, dann sagte er: Ja, hm, das freut mich aber sehr; ich denke nach und sage euch morgen Bescheid.

SPIEGEL: Klinsmann zeigt keine Angst vor Fehlern und darüber hinaus ein großes Desinteresse gegenüber allem, was an Kritik an seiner Arbeit in der Zeitung steht. Macht er den FC Bayern souveräner?

Hoeneß: Wir sind von ihm sicherlich in einigen Dingen aufgerüttelt und gefordert worden, das hat dem Verein gutgetan. Jürgen ist überzeugt von seiner Arbeit, reflektiert aber auch unheimlich viel. Er macht sich schon um sechs Uhr morgens Erinnerungszettelchen. Bestimmt fällt ihm auch noch etwas ein, wenn er nachts mal kurz aufsteht.

SPIEGEL: Die Frage war eher, ob auch Sie durch ihn gelassener geworden sind, etwa gegenüber den Urteilen der Medien.

Hoeneß: Was Sie meinen, scheint nur so gewesen zu sein. Früher bin ich fast jeden Tag zur Mannschaft runtergegangen, und auf dem Weg wurde ich immer schon von Journalisten angesprochen, ich sollte dies kommentieren und das. Jetzt haben wir eine kontrollierte Organisation der Öffentlichkeitsarbeit, es gibt Tabuzonen. Wir haben auch eine Tiefgarage, so dass die Spieler nicht mehr am Parkplatz abgefangen werden können.

SPIEGEL: Haben Sie das tägliche Kommentieren und Dementieren von Meldungen früher zu wichtig genommen?

Hoeneß: Als ich noch selbst gespielt habe, war die ganze Woche vielleicht ein Journalist da. Und donnerstags rief mal die "tz" an und fragte, was ich zum kommenden Spiel meine. Die heutige Medienlandschaft haben wir ja selbst geschaffen, diese Lust an der täglichen Information. Neulich hat mich jemand an der Tankstelle angesprochen: Herr Hoeneß, Sie waren ja im Trainingslager in Dubai, das habe ich jeden Tag verfolgt. Unser Training in Dubai. Dass man das überhaupt verfolgen kann!

SPIEGEL: Bayern München hat als Tabellenzweiter überwintert. Ist der Aufsteiger und Herbstmeister 1899 Hoffenheim langfristig eine Bedrohung?

Hoeneß: Das Wort Bedrohung gefällt mir nicht. Eher Herausforderung, das ja. Die Hoffenheimer sind gut für Bayern München, weil sie mit unglaublichem Engagement und vielen Ideen an die Dinge herangehen. Das ist erfrischend und fordert uns heraus. Es ist kein Zufall, dass unsere Mannschaft gerade gegen Hoffenheim so gut gespielt hat.

SPIEGEL: Und dass Sie sich gerade nach diesem Spiel so echauffiert haben?

Hoeneß: Direkt nach dem Spiel habe ich extra gar nichts vor der Presse gesagt, ich wäre explodiert. Nur der Herr Peters hatte das Pech, dass er mir über den Weg gelaufen ist.

SPIEGEL: Der Ex-Hockeybundestrainer Bernhard Peters, Hoffenheims Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung ...

Hoeneß: ... der weiß bis heute nicht, warum ich ihn so angepflaumt habe. Ich habe mich bloß geärgert, dass die so überaggressiv gespielt haben. Der Peters sagte immer nur: Herr Hoeneß, ich habe doch immer so viel von Ihnen gehalten. Aber wissen Sie was? Den Leuten gefällt das. Unsere Fans wollen genau diesen Hoeneß haben, vor allem Frauen sagen mir das. Ich sage den Leuten eben, was ich denke.

SPIEGEL: Haben Sie in Ihrer impulsiven Art nicht sogar mal gekündigt?

Hoeneß: Das war Ende der achtziger Jahre. Unser damaliger Schatzmeister Kurt Hegerich wollte nicht, dass wir Opel als Hauptsponsor nehmen, das sei ein amerikanischer Konzern. Er wollte lieber eine Münchner Brauerei. Da habe ich gesagt: Ohne mich. Dummerweise musste ich an dem Tag zu einem Redaktionsbesuch beim "Express" in Düsseldorf, da habe ich dann meinen Aktenkoffer liegenlassen mit der Kopie meiner Kündigung drin. Am nächsten Tag stand es groß in der Zeitung: Hoeneß hat gekündigt.

SPIEGEL: Sie hatten immer einen ausgeprägten Geschäftssinn, schon 1973 wollten Sie über Exklusivfotos Ihre eigene Hochzeit vermarkten. Was wäre wohl ohne Fußball aus Ihnen geworden?

Hoeneß: Das mit den Hochzeitsfotos war ein Riesenfehler. Totaler Schwachsinn. Damals bin ich noch hinter dem Geld her gewesen. Heute rege ich mich über Frau Beckham auf, wenn so ein Heckmeck gemacht wird, in welcher Suite das Paar in Mailand nächtigt und welche Tasche für 90.000 Euro sie am Arm hat. Ich trage eine Swatch für 100 Euro. Ohne Fußball wäre ich wohl in der Provinz der Stadt Ulm untergegangen. Ich wäre vielleicht Lehrer. Unsere Mutter wollte ja immer, dass wir was G'scheit's werden.

SPIEGEL: Wollten Sie nicht Landwirt werden?

Hoeneß: Ja, ganz früher. Im Urlaub auf dem Bauernhof habe ich immer gewartet, bis das Huhn das Ei gelegt hat, dann - schwupps - war es weg.

SPIEGEL: Wie reich wären Sie, wenn Sie noch Ihren ersten Managervertrag von 1979 hätten?

Hoeneß: Von jeder Mark Werbeeinnahmen von mehr als 600.000 Mark jährlich sollte ich 50 Prozent bekommen. Damals gab es ja fast nichts, etwa 300.000 für die Trikotwerbung, und Merchandising existierte nicht. Heute haben wir Werbeeinnahmen von rund 70 Millionen Euro, da können Sie sich ausrechnen, was ich verdienen würde. Damals waren von den 12 Millionen Mark Umsatz etwa 85 Prozent Zuschauereinnahmen. Heute kommen nur noch 18 Prozent vom Ticketverkauf. Einfacher ist es nicht geworden, denn bei Verhandlungen hat man es heute nur mit Profis zu tun.

SPIEGEL: Was heißt das?

Hoeneß: Keine Firma schenkt mir mehr einen Euro, nur weil ich Bayern München bin oder so ein netter Kerl.

SPIEGEL: Herr Hoeneß, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten die Redakteure Cathrin Gilbert und Jörg Kramer
BildBild

Anstoss Coaching Zone - Discord Server

https://discord.com/invite/GGAgTBm
Antworten