T-Mobile streicht Zabel für die Tour
Bonn/München - Die Experten haben es vermutet, jetzt ist es perfekt: T-Mobile setzt bei der 92. Tour de France voll auf Jan Ullrich und verzichtet auf sein langjähriges Aushängeschild Erik Zabel.
Das neun Fahrer starke Aufgebot für die "Große Schleife" vom 2. bis 24. Juli wird ganz auf den 31-jährigen Kapitän zugeschnitten, der endlich zum zweiten Mal nach 1997 das bedeutendste Radrennen der Welt gewinnen will.
Die Herausnahme Zabels aus dem offiziell nun noch 13 Namen umfassenden Kader gab der Bonner Radrennstall am Donnerstag in einer Presseerklärung bekannt.
"Ich bin natürlich enttäuscht"
T-Mobile will den Vizeweltmeister, dessen Vertrag Ende 2005 ausläuft, trotzdem weiter an sich binden. Das neun Fahrer starke Aufgebot für die Frankreich-Rundfahrt soll am 22. Juni in der Konzernzentrale Bonn präsentiert werden.
"Ich bin natürlich enttäuscht", sagte Zabel, der erstmals in seiner Karriere nicht berücksichtigt wurde und bis zuletzt auf den zwölften Tourstart gehofft hatte.
"Es wäre wunderschön gewesen, eine emotionale Geschichte, zumal die Tour nach Deutschland kommt. Ich bin aber Profi genug, die Entscheidung der Sportlichen Leitung zu akzeptieren. In jedem Jahr trifft es jemanden, diesmal bin ich es", erklärte Zabel.
Ullrich: "Er ist ein großartiger Fahrer"
Jan Ullrich zollte seinem Teamkollegen großen Respekt: "Erik hat die 'Große Schleife' wie kaum ein anderer geprägt und mit seinen zahlreichen Siegen Geschichte geschrieben. Er ist ein großartiger Fahrer, dessen Leistungen eine Nominierung gerechtfertigt hätten", schrieb Ullrich in seinem Tagebuch von der Tour de Suisse.
"In diesem Jahr aber werden wir versuchen, mit einer anderen Taktik zum Erfolg zu kommen. Wir sind klar auf Gelb fixiert. Die Sportliche Leitung hat diesbezüglich eine Entscheidung getroffen. Für Erik ist das natürlich hart, aber ich bin sicher, dass ein 100-prozentiger Fahrer wie er mit einer solchen Entscheidung umgehen kann."
Altig auf Zabels Seite
Dagegen kritisierte Rudi Altig die Entscheidung scharf: "Das ist ein großer Fehler von T-Mobile. Erik hätte Startrecht auf Lebenszeit verdient", sagte der Altstar.
"Stattdessen heißt das Motto: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Das sind amerikanische Verhältnisse, das ist nicht deutsche Mentalität."
Nach Altigs Ansicht hätte Zabel auch als Einzelkämpfer gute Chancen auf einen weiteren Etappenerfolg gehabt.
Walter Godefroot kontra Olaf Ludwig
"Es ist schade um Erik", meinte auch Teamchef Walter Godefroot, der wegen des "Falles Zabel" eigens zur Tour de Suisse angereist war und sich nur schweren Herzens den Argumenten seines designierten Nachfolgers Olaf Ludwig und des sportlichen Leiters Mario Kummer beugte: "Sie sollen ja die Verantwortung übernehmen."
Zabel, der sich zur Asturien-Rundfahrt bereits in Spanien aufhielt, erfuhr telefonisch von seiner Ausbootung. "Wir haben uns die Entscheidung sicher nicht leicht gemacht", sagte Kummer.
"Erik kann sich bei der WM in Szene setzen"
Gegenüber dem DSF erklärte der Sportliche Leiter: "Wir haben entschieden, bei der Tour de France auf die Gesamtwertung zu fahren. Darüber haben wir mit Erik lange gesprochen. Wir haben in dieser Saison noch viele gute Höhepunkte, bei denen sich Erik in Szene setzen kann."
So sei vor allem die WM in Madrid ein solcher, betont Kummer. "Die Strecke ist vom Profil her auf ihn zugeschnitten und er könnte da einiges reißen."
Über die Weiterverpflichtung von Zabel wollte Kummer nicht genauer reden: "Wir werden das später tun."
T-Mobile Team voll auf Ullrich zugeschnitten
Von der Ullrich-Gruppe wäre die Mitnahme Zabels wohl als Ballast empfunden worden. Der letztjährige Zweite Andreas Klöden hatte sich wiederholt offen für eine ganz auf den Kapitän zugeschnittene Truppe ausgesprochen.
Dafür war Klöden damals von Olaf Ludwig öffentlich gerügt worden. Ludwig sagte zu Sport1.de: "Nicht Andreas, sondern wir entscheiden. Wir stellen die Mannschaft auf."
Ullrich selbst ("Die Besten sollen fahren") hatte nie für Zabel Partei ergriffen. Er erhält nun mit Alexander Vinokurov (Dritter 2003) und Andreas Klöden (Zweiter 2004) zwei Edelhelfer an seine Seite.
Bergflöhe Guerini und Sevilla
Hinzu kommen die zwei Bergspezialisten Giuseppe Guerini (Italien) und Oscar Sevilla (Spanien) sowie vier Tempofahrer.
Damit will der gebürtige Rostocker, im Vorjahr nur Vierter, Lance Armstrong im fünften Anlauf mit dessen eigenen Waffen schlagen. Der Amerikaner, der seine letzte Tour bestreitet, tritt erneut mit acht reinen Domestiken an, wie schon bei seinen sechs Seriensiegen von 1999 bis 2004.
Obwohl ich Erik Zabel sowohl als Sportler als auch als Persönlichkeit sehr schätze, halte ich es für die richtige Maßnahme, die man in den Jahren zuvor hätte schon ergreifen sollen.
Wenn man einen Lance Armstrong mit einem nur auf Gesamtsieg ausgerichtetes Team schlagen will, kann man nicht noch in den Flachetappen für Zabel Tempo machen und so während dieser harten Rundfahrt Körner liegen lassen, die dann fehlen um Ullrich respektive Klöden/Winokurow in den Bergen zu unterstützen.
Das hat man die letzten Jahre deutlich gesehen.
Schade für Zabel, aber hoffentlich gut für Ullrich.
Abseits von halb leer oder halb voll wartet der wahre Optimist darauf, dass ihm jemand nachschenkt.